OBER-ESCHBACH im Werden und Wandel der Zeit

Der nachfolgende Aufsatz, zusammengestellt von Reinhold Neumann, ist ein Auszug aus der gleichnamigen Veröffentlichung im Fest- und Heimatbuch von 1953

"Zwölf Jahrhunderte Ober-Eschbach - Vertraute und errungene Heimat" im Selbstverlag der Gemeinde Ober-Eschbach, ergänzt um aktuelle Entwicklungen der jüngeren Zeit.

Die historischen Daten stammen zu einem beträchtlichen Teil aus den von Herrn Lehrer Lengfelder mit viel Liebe und Sorgfalt zusammengestellten Chroniken, bearbeitet und ergänzt von Herrn Horst Munz.

An einer Landstraße zweiter Ordnung, die zufällig die kürzeste Verbindung zwischen Frankfurt am Main und Bad Homburg darstellt, liegt unser Dorf, bequem, ja fast etwas träge hin gebettet in eine leichte Wiesensenke. Dem flüchtig Durchfahrenden sagen zwar die Schilder an den Ortseingängen, dass dieses Dorf den klangvollen Namen Ober-Eschbach trägt, aber was soll das schon heißen. Romantisch angehauchte Betrachter werden vielleicht den von schönen hohen Pappeln umringten Wiesengrund und die Taunussilhouette ganz schön finden - aber das gehört ja eigentlich nicht zum Ort selbst. Den meisten wird wohl bestenfalls die enge Ortsdurchfahrt mit den scharfen Kurven in Erinnerung bleiben.

Das ist Ober-Eschbach für den Außenstehenden. Eigentlich gar nichts Besonderes. Ein Dorf wie viele andere, das nur noch den Nachteil zu haben scheint, im Kraftfeld der Mainmetropole und der bekannten Kurstadt erst recht in resignierte Bedeutungslosigkeit versinken zu müssen.

Und doch ist der Lokalstolz der Ober-Eschbacher ungebrochen. Nicht etwa nur deshalb, weil der Menschenschlag zwischen Taunus und Vogelsberg ohnehin trotzig erdverbunden und nicht unterzukriegen - das bedeutet so viel wie: nicht zu überzeugen - ist, - nein, die Ober-Eschbacher haben viel triftigere Gründe, wenn sie sich durch nichts von ihrer viel glanzvolleren Nachbarschaft imponieren lassen.

Denn was kann das im Vorfeld von Ober-Eschbach gelegene Frankfurt z.B. dafür, dass sich der Main mit großen Schiffen befahren lässt, die im Laufe der Jahrhunderte Reichtum in diese Stadt trugen? Auch Ober-Eschbach liegt an einem Wasserstrom, der ebenfalls von Anbeginn, jedoch in etwas bescheidenerer Weise, die Schlagader seiner Existenz darstellte. Es wäre sinnlos, mit dem Schicksal darüber zu rechten, warum dieses Gewässer nicht ebenfalls mit großen Kähnen zu befahren, sondern bestenfalls zu durchwaten ist. Aber die Ober-Eschbacher haben sich bis heute beharrlich und mit Erfolg dagegen gewehrt, dieses Rinnsal zu dem minderwertigen Range eines bloßen Baches degradieren zu lassen. In Anlehnung an andere bedeutende Flußnamen ist in Ober-Eschbach jedenfalls nur von der Eschbach und nicht von dem Eschbach die Rede.

Die Gänse wurden jedenfalls in Ober-Eschbach immer nur an die Bach getrieben.

Das Fazit der Betrachtung dieses komplizierten Sachverhaltes liegt immerhin darin, dass Ober-Eschbach wenigstens für seine eigenen Einwohner ebenso wie Frankfurt an einer recht bedeutsamen Wasserader liegt.

Aber auch in anderer Hinsicht brauchen sich die Ober-Eschbacher von ihrer feinen Nachbarschaft nichts vormachen zu lassen. Denn der historische Nachweis des Bestehens der Ober-Eschbacher Gemeinde reicht mindestens ebenso weit in die Anfänge deutscher Geschichte, nämlich in das 8. Jahrhundert, zurück, wie derjenige Frankfurts. Der geneigte Leser wird daraus ersehen, dass unsere Gemeinde in sehr wichtigen Voraussetzungen ihres Bestehens der großen spreizbeinigen Schwester im Süden durchaus das Wasser reichen kann.

Man wird daraus auch verstehen, dass das Selbstbewusstsein unserer Gemeinde von dem leider inzwischen auch etwas verblassten Ruhm seiner jüngeren koketten Rivalin im Norden, der Stadt Bad Homburg, nicht im Geringsten überschattet werden kann.

Und im Übrigen sei es hier endlich einmal offen herausgesagt: der bedeutendste Teil Bad Homburgs, nämlich sein Kurbezirk mitsamt den mehr oder weniger genießbaren Quellen erhebt sich auf ursprünglich Ober-Eschbacher Grundbesitz. Lediglich der Ökonomischen Misere irgendwelcher freiadeliger Großgrundbesitzer zufolge, die sich von der späteren Pfründe eines feudalen Kurbetriebes inklusive sich sozial bemäntelnder Spielbank offenbar noch keine reelle Vorstellung machen konnten, ist dieses Gebiet im Laufe der Jahrhunderte später in Homburger Besitz übergegangen.

Die historischen Wurzeln.

Schon im 2. bis 4. Jahrhundert, zu Zeiten der Römer also, hat das Gebiet der Gemeinde Ober-Eschbach eine nicht unbedeutende Rolle gespielt:

Denn schon in dieser Zeit zog unmittelbar an dem Siedlungsraum unseres Dorfes eine wichtige römische Heerstraße, später Mainzer Straße genannt, vorbei. Sie nahm in Mainz ihren Anfang und stellte über die Römerstadt Heddernheim, Kalbach, Ober-Eschbach, Rodheim, Ostheim und Butzbach die Verbindung nach noch weiter im Norden liegenden römischen Garnisonen die Verbindung her. Diese Straße war verkehrstechnisch so geschickt angelegt, dass sie im Mittelalter als eine der wichtigsten Handelsstraßen, später auch Weinstraße genannt, benutzt werden konnte. Ausgedehnte Überresten römischer Niederlassungen am sogenannten Steingritz in Ober-Eschbach und eine ehemalige Verbindungsstraße von dort zur Saalburg machen es sehr wahrscheinlich, dass sich die Römer in unserer Gemarkung recht häuslich niedergelassen hatten. Aber der langsame Verfall des römischen Reiches war vom 3. Jahrhundert ab nicht mehr aufzuhalten. Die Römer wurden wieder über den Rhein zurückgedrängt und eine alemannische Oberschicht nahm zunächst von unserem Gebiet und der zurückgebliebenen germanisch-römischen Mischbevölkerung Besitz. Im Laufe des 5. Jahrhunderts warfen dann die Franken unter ihrem König Chlodwig die Alemannen hinaus und machten sich selbst breit.

In jene Zeit der Neuansiedlung und Umsiedlung von Dörfern dürfte die Gründung unseres Ortes, genau an der Stelle wo er heute noch liegt, erfolgt sein. Da die Germanen dieser Zeit den Gebrauch von Urkunden noch nicht kannten, müssen wir versuchen, uns aus sonstigen Gegebenheiten ein Bild über unser Dorf zu machen.

Halten wir uns einmal an den Ortsnamen selbst. Wie jeder konstatieren kann, liegt Eschbach an der Eschbach und hat von dieser seinen Namen. Aber damit ist wenig geholfen. In den ältesten Urkunden aus dem 8. Jahrhundert wird unser Eschbach auch Aschenbach oder Aschbach genannt. Der althochdeutsche Wortstamm asc kann sowohl Senke als auch Esche bedeuten. Beide Begriffe sind sinnvoll auf unseren Ort zu beziehen. Das heißt also, dass man als wesentliche Merkmale für die Bezeichnung unseres Ortes den Bach und die Eschen angesehen hat.

Nun, die Lage unseres Ortes an der wichtigen Hauptstraße, von der oben schon die Rede war, sowie die Nähe der Mineralquellen, die zur Herstellung des so kostbaren Salzes hervorragend geeignet waren, gaben unserem Ort eine wichtige strategische Bedeutung.

Auf dieser Straße zogen, von Mainz kommend, im 8. Jahrhundert die christlichen Missionare, unter ihnen Bonifatius, in unser hessisches Land. Als ersten Stützpunkt gründeten sie 744 das Kloster Fulda und später das Kloster Lorsch.

Wie ein Komet erst aufleuchtet, wenn er die Lufthülle der Erde berührt hat, so tritt die vorher für uns im Dunkel gelegene Vergangenheit unserer Vorfahren nun in das helle Licht urkundlich

belegter Geschichte. Die ab jetzt in den Schenkungsbüchern der Klöster erwähnten Daten sagen daher nichts über die ursprüngliche Gründung unserer Gemeinde aus, sondern sie setzen einfach deren Bestehen voraus !

Es ist sehr wahrscheinlich anzunehmen, dass eine erste Schenkung Ober-Eschbacher Güter eines Ehepaares an das Kloster Fulda, in dem Schenkungsbuch dokumentiert, zwischen 750 und 760 stattfand. Von nun an steht unser Dorf auf dem festen Boden urkundlich beglaubigter Geschichte, die uns das Recht zum Rückblick auf zwölf vergangene Jahrhunderte gibt.

So finden wir in dem Urkundenbuch von Lorsch aus den Jahren 772 bis 855 nicht weniger als 35 Schenkungsurkunden, aus denen hervorgeht, dass die damaligen fränkischen Adeligen Teile oder auch das Ganze ihres hiesigen Besitzes dem Kloster Lorsch übertrugen, zugunsten ihres eigenen oder ihrer Verwandten Seelenheil oder auch aus bloßer Dankbarkeit für die Mission.

In einer anderen interessanten Urkunde von 773 ist von Mineralquellen die Rede, die unserer Nachbarstadt den vielversprechenden Vornamen "Bad" eingebracht hat. Unser Eschbach hat zwar zum Troste später noch den Vornamen "Ober" bekommen, aber man verarge uns nicht, wenn wir dem "Bad" doch ein wenig reumütig nachtrauern, zumal sich Homburg, anspruchsvoll wie jüngere Schwestern nun mal sind, auch noch die Bezeichnung "vor der Höhe" angemaßt hat.

Nun wollen wir nicht verschweigen, dass wir uns noch gegen ein Argument unserer Namensvettern, der Niedereschbacher, zu wehren haben, denn es ist immer nur von Eschbach die Rede. Nun, da kann man gelassen auf die bevorzugte Lage unseres Dorfes an der alten Weinstraße, auf die Homburger Quellen und auf den Gonzenheimer und Kirdorfer Besitz hinweisen. Aber noch ein anderer urkundlich belegter Sachverhalt kann uns dienen und spiegelt die ehemals dominierende Stellung von Ober-Eschbach wider: Der Ober-Eschbacher Pfarrei waren als Filialgemeinde Gonzenheim, Kirdorf, Teile Holzhausens und vermutlich auch Nieder-Eschbach und die Burg zu Königstein, in der nach dem Niedergang des Klosters Lorsch die weltlichen Herren unseres Gebietes ihren Wohnsitz aufgeschlagen hatten, unterstellt.

Um unseren Nieder-Eschbacher Freunden nicht den Geschmack an unserem Fest zu verderben, haben wir jedoch nichts dagegen, wenn sie sich als ehemalige Untertanen ansehen wollen und fröhlich mit uns feiern; wie wir überhaupt unsere Nachbargemeinden bitten wollen, uns das Schwelgen in so großartigen Erinnerungen gutmütigst zu gönnen.

Sollten sich lokalpatriotisch gestimmte Gemüter ob dieser großspurigen Auslassungen dennoch zu sehr erhitzen, so sei zu ihrer Beruhigung gesagt, dass wir aufgrund des historischen Sachverhaltes keine Wiedergutmachungs- oder Rückerstattungsansprüche geltend zu machen beabsichtigen, wie wir hiermit auch feierlich erklären wollen, dass wir von allen Versuchungen hinsichtlich einer eventuellen Wiederaufrichtung der Ober-Eschbacher Hegemonie entschieden Abstand zu nehmen gedenken. Im Übrigen würden wir unseren Nachbarn gar nicht verübeln, wenn sie im Zuge ihrer moralischen Aufrüstung auf die geistreiche Idee kommen sollten, ihrerseits einen Gedenktag anlässlich der Befreiung von Ober-Eschbacher Vormund- und Zinsknechtschaft mit viel Spiritus zu begehen. Falls es Freibier gibt, sind auch wir zu Gast!

Dies also war die Zeit der Gründung unseres Ortes. Es war dies auch die große Zeit unseres Dorfes, weil hier im eigentlichen Sinne, im Materiellen wie im Geistigen, der feste Grund gelegt wurde, auf dem die späteren Jahrhunderte weiterbauen - und leider auch zerstören konnten.

Doch das Fundament war so fest, dass bei allem späteren Durcheinander von Besitzstreitigkeiten, Fehden und Religionswechseln der einheitliche Bestand unseres Dorfes erhalten blieb.

Nun wollen wir noch die nachfolgenden Jahrhunderte bis zur Gegenwart mit ihren wechselhaften "Besitzverhältnissen" kurz überblicken:

Da wissen wir zunächst, dass die Herren von Münzenberg einen Teil des Ober-Eschbacher Besitzes an sich gebracht haben, als Inhaber des hiesigen Kirchenpatronats, erwähnt um 1219. Nach dem Verfall des Klosters Lorsch brachte der Erzbischof von Mainz mit Zustimmung des Kaisers Friedrich II. die Lorscher Güter 1232 in seinen Besitz, wovon er die Eschbacher Güter an seine Verwandten, die Herren von Eppstein, abtrat. Ebenso hatte um jene Zeit der erste Burgherr der Burg von Homburg hier einen Besitz von 150 Morgen und einen Weinberg.

In den darauffolgenden Jahrhunderten teilten sich die Herren von Ingelheim, von Walderdorff, zwischendurch wieder einmal das Kloster Fulda, dann wieder die Herren von Falkenstein, von Eppstein, Eppstein-Königstein und Stolberg-Königstein in den hiesigen Besitz. Nicht zu vergessen sind unter der Aufzählung der Besitzer die Ritter von Eschbach, als Herren des ehemaligen Königshofes vom 13. bis 16. Jahrhundert, die in jener Zeit ein vielbeachtetes und einflussreiches Rittergeschlecht in unserer Gegend waren.

Als gegen Ausgang des Mittelalters, etwa im 15. Jahrhundert, die reichsunmittelbaren Ritter- und Adelsgeschlechter vor der auf eigene Hausmacht gegründeten Position der Landesfürsten mehr und mehr zurückweichen mussten, nahmen die Grafen von Hanau bzw. Hanau-Münzenberg zunehmend Einfluss auf das Geschehen in unserer Gemeinde.

Im Zuge der durch Napoleon I. Anfang des 19. Jahrhunderts durchgeführten politischen Umordnung kam unsere Gemeinde 1810 an das Großherzogtum Hessen. In politischer Hinsicht ist für unsere Gemeinde noch interessant, dass nach Einführung einer neuen hessischen Verfassung die Gemeinden von 1820 an das Recht hatten, ihren Ortsvorstand, das heißt, ihren Bürgermeister, selbst zu wählen.

1821 wurde im Rathaus an der Oberpforte die erste Bürgermeisterwahl vorgenommen und im nachfolgenden Jahr ebenso die Wahl der ersten Gemeinderäte.

Die Amtszeit der zuletzt für die selbständige Gemeinde Ober-Eschbach im Kreis Friedberg gewählten Gemeinderäte nebst Bürgermeister ging am 31.12.1971 zu Ende.

Mit Beginn des Jahres 1972 wurde unser Eschbach, die Perle des Hessenlandes, gewichtiger Teil der vornehmen Schwester im Norden, der Stadt Bad Homburg v.d.H.

So kam wieder zusammen, was doch eigentlich schon immer zusammengehörte.

Das ist die Sprache der Daten und Urkunden. Für die Später geborenen erscheinen sie nicht anders als von der Laune des Zufalls aus dem Meer des Vergessenen herausgehoben. An der Gestaltung unseres Ortes haben diese Besitzverschiebungen und Namen der Besitzer sehr geringen Anteil. Alle paar Jahrzehnte wurden die Wappen der früheren Besitzer an den Pforten und am Rathaus überkleistert und vielleicht auch Straßen umbenannt, falls man damals schon so unvorsichtig war, Straßen nach politischen Größen zu benennen...

Gehen wir doch lieber einmal mit offenen Augen durch unser heutiges Dorf. Vielleicht können wir doch noch einiges aufspüren, wenngleich wir auch nicht beschönigen wollen, dass unsere

unmittelbaren Vorfahren mehr Sinn auf ihre gegenwärtigen Lebensinteressen als auf die Pflege und Gestaltung des überlieferten richteten. Nun, vielleicht können wir diese Feststellung als Hinweis ansehen, selbst nichts zu versäumen und vor allen Dingen das Neue in unserer Gemeinde so anzulegen, dass auch unsere Nachkommen darüber noch Freude haben können.

So lasst uns zusehen, dass wir nicht an unseren Aufgaben vorbeigehen...

Diesem Selbstverständnis verpflichtet wollen wir weiterhin tätig sein, mit Hilfe aller Homburger unser Erbe pflegen und weiterentwickeln, über dem politischen Alltag stehend, zur Freude der Bürgerinnen und Bürger von Ober-Eschbach, Bad Homburg und darüber hinaus.

Herzlichst, Ihre

Aale Eschbächer